Dieser Beitrag analysiert die Entstehung und Entwicklung von Bildungsungleichheiten in Österreichs Schulen zwischen 2012 und 2022. Dabei stehen Veränderungen der Bildungspartizipation in den letzten drei Jahren besonders im Fokus der empirischen Betrachtung, indem die Folgen der coronabedingten Schulschließungen und der gegenwärtigen Teuerungskrise für Ungleichheitsmuster untersucht werden. Der zweite Teil dieses Beitrags beschreibt darauf bezogene bildungspolitische Reformmaßnahmen im letzten Jahrzehnt sowie im Kontext der jüngsten Krisenbewältigung. Abschließend werden diese Entwicklungsstränge zusammengeführt und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die gegenwärtige Bildungspolitik diskutiert.
Drei wesentliche Erkenntnisse dieses Beitrags sind:
Zusammenfassung und Präsentation des Bands im Renner Institut, 20.6.2023: Drinnen oder draußen? Wie der Sozialstaat Türen öffnet | Karl-Renner-Institut
Das Kapitel zeigt, dass der Anteil der mehrsprachigen Jugendlichen an Österreichs Schulen im Zeitraum 2012 bis 2016 zugenommen hat und die demografische Entwicklung auch Schulen zu Orten der sprachlichen Vielfalt macht. Betrachtet man die fachlichen Kompetenzen der mehrsprachigen Schüler/innen in Mathematik, Englisch und Deutsch, so schneiden mehrsprachige Schüler/innen jedoch schwächer ab als einsprachige Jugendliche, wobei es deutliche Unterschiede je nach Herkunft gibt und vor allem der sozioökonomische Hintergrund ausschlaggebend für schulische Lernerfolge ist. Außerdem zeigt der Beitrag, dass die Deutschkompetenzen der Eltern mit den Kompetenzen ihrer Kinder in Zusammenhang stehen, aber erneut der sozioökonomische Hintergrund der wichtigste Erklärungsfaktor für die Schülerleistungen ist.
Bildungspolitische Entwicklungen folgen nicht ausschließlich nationalen Politiken zeitlich umgrenzter Regierungsperioden. Sowohl international als auch lokal entstehen und verfestigen sich wichtige Elemente von Bildungsreformen. Trotzdem lassen sich einige Besonderheiten der aktuellen österreichischen Bildungslandschaft auf die parteipolitischen Initiativen von Schwarz-Blau zurückführen, wenn auch teilweise nur als Forcierung bereits etablierter Reformdynamiken. Vor diesem Hintergrund setzt sich der vorliegende Beitrag mit den bildungspolitischen Reformen von Schwarz-Blau II seit Herbst 2017 auseinander. Ausgehend von einer Diskussion empirisch beobachtbarer Bildungsungleichheiten im österreichischen Bildungssystem werden Schwarz-Blaue Reformen darauf hin analysiert, ob und in welchem Ausmaß sie zum Abbau oder zur Beständigkeit von Bildungsungleichheiten in Österreich beitragen werden. Anschließend werden Kontinuitäten und Divergenzen rechts-konservativer Bildungspolitiken zwischen Schwarz-Blau I und II analysiert.
Im Beitrag von Barbara Herzog-Punzenberger und Philipp Schnell rücken die mehrsprachigen Kinder und Jugendlichen in den Fokus. Ihre Situation wird in einem ersten Schritt mit der Frage der Mehrsprachigkeit in der österreichischen Schule und Gesellschaft sowie im Unterricht verknüpft. Unter dem Aspekt der Chancengleichheit werden anhand der verfügbaren Daten die Bildungsteilnahme und -verläufe von mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen in Österreich und im internationalen Vergleich einschließlich der sie beeinflussenden Faktoren untersucht. Hingewiesen wird dabei auf die wenig beachteten Diskrepanzen zwischen Schulformen im berufsbildenden Schulwesen.